Seit langem beobachte ich in unserem Garten ein unscheinbares fliegendes Etwas. Unscheinbar weil es eine grau-braune Färbung auf der Oberseite aufweist, die zum Ende des Hinterleibs dunkler wird und eine Spannweite von nicht einmal 5 cm hat. Die Flügel zeigen in der Bewegung einen warmen Orangeton. Für seine Größe hat er einen kräftigen Körperbau und am Kopf befinden sich robuste Fühler. Auch wenn er nicht in der Größe und den auffälligen Farben eines Pfauenauges oder eines Admirals daherkommt, es ist ein Schmetterling. Er gehört in die Familie der Schwärmer. Auffällig ist das Flugverhalten dieses Falters, der gerade jetzt häufiger in unseren Grünanlagen anzutreffen ist.

 

 

 

Schon von einem Taubenschwänzchen oder Kolibrischwärmer gehört? Der erste Name leitet sich von dem zweigeteilten Haarbüschel am Hinterleib ab, das eine Ähnlichkeit mit den Schwanzfedern von Tauben hat. Tatsächlich sind diese Büschel lediglich verlängerte Schuppen. Aufgrund seiner excellenten Flugfähigkeiten wird er - zumindest in unserer Gegend - auch Kolibrischwärmer genannt. Ein unauffälliger Tagfalter, der bemerkenswerte Leistungen vollbringt. Es handelt sich um einen Wanderfalter, der zu Beginn des Sommers vom Süden bis in den hohen Norden zieht. Durch seine enorme Ausdauer erschließt er sich neue Gebiete. Das ganzjährige Verbreitungsgebiet dieser Art erstreckt sich von Nordafrika bis zu den Alpen und Frankreich.

 

Verbreitung

ganzjährig       Sommer           Winter

 

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Das Taubenschwänzchen bzw. der Kolibrischwärmer ist in der Lage 3000 km in weniger als zwei Wochen zurückzulegen. Können Sie sich vorstellen diese Entfernung fußläufig zurückzulegen?
Zu Fuß! Nicht mit dem Rad, dem Auto oder gar dem Flugzeug. Zur Veranschaulichung: Der Jakobsweg von Köln über Trier und Le Puy nach Santiago de Compostela hat eine Länge von 2634,5 km. Für diese Strecke benötigt ein Wanderer mit einer durchschnittlichen Kondition 100 Tage.

Die Schlagfrequenz der Flügel beträgt 70 bis 90 Schläge in der Sekunde, die Geschwindigkeit in den Spitzen bis zu 80 km/h. Der Rückzug im Herbst in gemäßigte Gebiete ist für sein Überleben wichtig. Lange Fröste überlebt er nicht. Nach jüngeren Beobachtungen findet scheinbar eine Anpassung der Tiere statt. Bis etwa in Höhe der Main-Linie wurden vereinzelt Exemplare in Erdhöhlen oder anderen geschützten Unterschlüpfen gesichtet. In den Wintermonaten Nahrung aufzutreiben dürfte schwierig bleiben.

Bei einem Eigengewicht von 0,3 g benötigt der Schwärmer 0,5 ml Nektar täglich. Zu den Kostverächtern ist er nicht zu rechnen. Können sie sich vorstellen an einem Tag das 1,6-fache ihres Körpergewichts zu sich zu nehmen?

 

Taubenschwänzchen sind wie alle Schwärmer ausgezeichnete Flieger. Ihr Flug ist unglaublich schnell und wendig und erinnert – wie erwähnt - dem von Kolibris. Sie gehören zu den wenigen Insekten, die den Rückwärtsflug beherrschen. Bei der Nahrungsaufnahme stehen sie im Schwirrflug vor den Blüten und saugen Nektar mit ihrem Rüssel, den sie schon beim Anflug ausrollen und zielsicher in die Blütenkelche einführen. Sie erkennen mit ihren guten Augen kleinste, durch Wind verursachte Pflanzenbewegungen, kompensieren diese perfekt. Die Fühler registrieren dabei die Eigenrotation während des Flugs in den verschiedenen Raumachsen. So halten sie ihre Position zur Blüte immer konstant .

Apropos Augen: sie sind - anders als bei den anderen Insektenarten - hell mit einem dunklen Zentrum. Diese Mitte erweckt den Anschein einer großen Pupille, tatsächlich handelt es sich jedoch um Facettenaugen (Pseudopupillen). Diese Sinnesorgane verfügen über drei Farbrezeptoren, mit denen sie einen ähnlichen Farbraum wie Menschen wahrnehmen.

Wählerisch sind die Tiere bei der Nahrungsaufnahme nicht. Sie fliegen die Blüten zahlreicher nektarreicher Pflanzen an, wobei sie zunächst blaue Blüten bevorzugen. Unter Laborbedingungen wurde nachgewiesen, dass Kolibrischwärmer – im Gegensatz zu den meisten anderen Faltern - lernfähig sind. Haben sie einmal erkannt, dass gelbe oder rote Blüten mehr Nektar als die blauen vorhalten, stehen diese auf der Speisekarte ganz oben. So nutzen sie zu jeder Jahreszeit das vorhandene Angebot an Nahrungsquellen optimal. Sie bevorzugen Blüten, die lange, schmale Blütenkelche haben – wie im Bild der Sporn-Baldrian. Gar nicht mal dumm, was sich die Natur so einfallen lässt. Große Blütenkelche kann „Jeder“, die kleinen Leckereien gehören den Spezialisten.

Kolibrischwärmer bleiben ihren Unterschlüpfen und Nahrungsquellen treu, sie kehren immer zu ihnen zurück.

 

Macroglossum stellatarum - der wissenschaftliche Name - steht auf keiner Liste der gefährdeten Arten. Vermutlich wurden bisher keine Daten gesammelt. Mit ihrem Fortpflanzungsverhalten leistet diese Art einen eigenen natürlichen Beitrag. Sie zeugen in ihrem Leben zwei und mehr Generationen. Das Weibchen legt bis zu 200 Eier und jedes Ei für sich an einer anderen Pflanze ab. Sie bevorzugen hierfür Labkraut und bunte Wiesen. Bereits nach sechs bis acht Tagen schlüpfen grüne Raupen, die sich farblich an die Wirtspflanze anpassen können. Das Labkraut gehört zu den Haupt-Futterpflanzen der Nachkömmlinge. Die Raupen sehen vom Start weg gut genährt aus, sind gut erkennbar an den weißen Seitenlinien und dem typischen Analhorn. Das Raupenstadium dauert je nach Witterungseinflüssen etwa 20 Tage. Danach beginnt der Kreislauf von vorne. Sie können der kommenden Generation in ihrem Garten eine Bleibe anbieten, in dem sie an einem sonnigen Plätzchen für etwas Klee, Sommerflieder, Jasmin, Phlox, Primeln, Verbenen oder Lavendel sorgen. Mit etwas Glück erfreuen sie sich bald an wahren Meistern des Kunstflugs.